Ungeduld: die neue Tugend?

Die Wahlen stehen kurz vor der Tür und die Parteien versuchen wieder übermotiviert um die Gunst der Wählerstimmen zu buhlen. Seit einigen Tagen begegnet mir immer wieder ein Plakat mit dem Slogan "Ungeduld ist auch eine Tugend". Versteh' ich nicht.
Wir kennen mittlerweile alle den Ratschlag aus dem Bewerbungsgespräch-Knigge, dass man auf die Frage "Was sind Ihre Schwächen?" gut und gerne Ungeduld nennen kann. Denn Ungeduld impliziert Ehrgeiz, Schnelligkeit und ggf. auch Effektivität. Ungeduld ist eine salonfähige Schwäche, mit der man sich nahezu brüsten kann.
Geduld kommt von Dulden. Und im Dulden steckt die Stärke, gegebene und unbeeinflussbare Dinge anzunehmen und zu akzeptieren. Zurecht gehört es zu einer wahren Tugend, denn es fordert mehr von einem, als nur zu funktionieren, sondern Situationen zu nehmen, wie sie sind und angemessen darauf zu reagieren. Diese Akzeptanz wiederum ist der Nährboden für innere Ruhe und Ausgeglichenheit.
Ungeduld hingegen bedeutet Kampf. Es ist ein Kampf gegen die Zeit, ein Kampf gegen Widerstände und in den meisten Fällen auch gegen andere Personen.
Ungeduld ist ein Getriebensein und eine Rastlosigkeit. Nun erkläre mir mal einer, welchen Vorteil dieser überhöhte Anspruch nach Perfektion und Schnelligkeit mit sich bringt? Ist Ungeduld nicht der beste Antreiber, sehenden Auges in ein Burnout zu rasseln?
Vielleicht wäre es ratsam, den Plakatslogan nochmal zu überdenken, sonst könnte vielleicht der Anschein erweckt werden, dass die dort beworbene Partei durch ihr Getriebensein selbst schnell ausbrennt.


„Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“

Galileo Galilei