Was macht uns unglücklich?

Wenn wir über längere Zeit ein Leben leben, das wir nicht leben wollen, dann frisst es nach und nach die Seele auf.
Thomas ist Geschäftsführer in einem Automobilkonzern. Schon in seiner Jugend hatte er das Ziel, später beruflich erfolgreich zu werden und sich finanziell viel leisten zu können. Geld war ihm wichtig und er arbeitete darauf hin, genug davon zu besitzen. Er machte ein gutes Abitur, studierte BWL, absolvierte Praktika in namhaften Industriekonzernen und begann nach seinem Studium als Volontär bei einem Automobilzulieferer. Von da an ging es nur noch bergauf mit ihm. Seine Vita wurde immer beeindruckender, die Positionen immer besser und das Gehalt immer höher. Bald sollte es Thomas geschafft haben. Thomas ist Anfang 40 und er hat es geschafft, bis der Tag kam, als er einfach umkippte. Diagnose Burnout. 8 Wochen Klinikaufenthalt.
Er hatte alle ersten Anzeichen für einen bevorstehenden Zusammenbruch übersehen. Einfach ignoriert und es als Phase abgetan. In den Tests und Gesprächen lernte er viel über sich kennen, er wurde mit Fragen konfrontiert, die er sich zuvor nie gestellt hatte und stieß auf Antworten, die er sich nie hätte
vorstellen können. Thomas ist sein Leben lang nie seinem Instinkt gefolgt, sondern hat immer nur vernünftige Entscheidungen getroffen, um seinem Ziel näher zu kommen. Er hatte sich mit 16 einen Weg ausgesucht und war sich sicher, diesen Weg konsequent zu gehen. Dabei vergaß er, die wahren Motive seines Handels zu hinterfragen und seine wahren Sehnsüchte zu erkennen. Denn letztendlich sollte es nicht das Geld sein, das ihn glücklich gemacht hätte.
Sein Burnout holte er sich nicht durch den zeitlichen Stress oder den Druck, den er sich gemacht hat, denn wie sich herausstellte handelte es sich bei Thomas um einen resilienten Mann, der ein gut strukturiertes Zeitmanagement beherrschte. Letztendlich brachte er sich an den Rand des Absturzes, indem er nicht auf seine wahren Bedürfnisse gehört hatte. Seine Seele lächzte nach Ausgleich, seine wahren Werte waren viel zu verborgen um sie zu erkennen und Thomas lebte das Leben  einer selbst
gestalteten Schablone.
Nicht jeder, der ein Leben wie Thomas führt, wird zwangsläufig unglücklich und erleidet einen Zusammenbruch.

Viele Workaholics, Unternehmer und Karrieristen gehen in ihrem Leben auf und haben genau das gefunden, was sie erfüllt. Doch es passt nun mal nicht jedes Leben zu jedem. Und manchmal führt man ein bestimmtes Leben, weil man "da so reingerutscht" ist, weil es so von einem erwartet wird, weil es vollkommen logisch ist, in die Fußstapfen der Eltern zu treten oder weil es schon immer ein lang gehegter Traum war, so zu leben.

In der humanistischen Psychologie redet man hier von einem Konflikt zwischen der Aktualisierungstendenz und dem Selbstkonzept. Jeder Mensch hat den angeborenen Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung, doch dies deckt sich nicht immer mit dem Selbstbild, das man über Jahre aufgebaut hat und auch durch äußere Faktoren geformt wurde. 
Wenn wir unserer Bestimmung nicht folgen, können wir unglücklich werden. Und manchmal dauert es das halbe oder vielleicht auch fast das ganze Leben, diese Bestimmung zu finden und unsere Selbstkonzept anzupassen.... das ist es dann vielleicht: der Sinn des Lebens....


„Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“

Galileo Galilei